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To Team or not to Team

Im Alltag und auch im Kontext von Organisationen gibt es zahlreiche Begriffe, die zum einen mit sehr vagen oder unterschiedlichen Bedeutungen genutzt werden. Zum anderen werden sie auch sehr inflationär verwendet. Typische Kandidaten sind Motivation, Agilität und Strategie. Aber auch der Begriff Team und daraus entstehende Begriffe wie Teamarbeit und Teambuilding gehören dazu.

Doch nicht überall, wo Team draufsteht, ist auch Team drin. Menschen, die sich ein Büro teilen und den gleichen Chef oder die gleiche Chefin haben, sind deswegen noch lange kein Team. Selbst wenn ich eine Rechnung bekomme, diese mit entsprechendem Formular an die Buchhaltung weiterreiche und die dort erfasste Rechnung dann an die Zahlstelle weitergegeben wird, ist dies zwar eine Zusammenarbeit, aber noch keine Teamarbeit im eigentlichen Sinne. Mitglieder verschiedener Abteilungen arbeiten formal vorgegebene Arbeitsschritte in einer bestimmten Reihenfolge ab. In dem Fall ist Teamarbeit vermutlich auch gar nicht angebracht.

Was ist ein Team?

Ein ‚wahres‘ Team erfüllt die folgenden Kriterien1,2: Ein Team ist eine spezielle Gruppe und besteht aus zwei oder mehr Personen, die gemeinsam an einem oder auch mehreren Zielen arbeiten. Sie möchten bestimmte Aufgaben oder Veränderungsprozesse innerhalb einer Organisation bewältigen. Teammitglieder sind gegenseitig voneinander abhängig und sie kooperieren miteinander. Ein Team ist zwar Teil der Organisation, aber innerhalb dieser ist es von anderen Teams, Abteilungen oder Arbeitsgruppen abgegrenzt, auch wenn sie mit diesen Zusammenarbeiten. Zudem haben Teams ein hohes Maß an Entscheidungsmacht und Freiheit, wie sie ihre Aufgaben erfüllen. Sie müssen sich in vielerlei Hinsicht selbst organisieren und auch Verantwortung für ihr Vorgehen und ihre Ergebnisse übernehmen.

Dazu müssen sie effektiv kommunizieren. Das bedeutet, dass die Qualität der Kommunikation stimmen muss, und nicht einfach nur mehr kommuniziert wird3.

Wann ist Teamarbeit angebracht?

Das bedeutet, dass Vorgesetzte ein stärkeres Augenmerk darauf legen sollten, welche Art Maßnahmen für ihre Mitarbeiter:innen geeignet sind. Selbstverständlich ist es wichtig, dass sich auch ‚bloße‘ Büropartner:innen kennenlernen. Auch die Mitglieder verschiedener Abteilungen sollen zusammenkommen, wissen, wer die anderen sind. So wird das Zwischenmenschliche und auch die Zusammenarbeit, beispielsweise, wenn mal etwas nicht so klappt, wie es soll, verbessert. Betriebsklima, Arbeitszufriedenheit und Motivation hängen damit zusammen.

Doch das ganze Unternehmen gemeinschaftlich auf ein Retreat oder Workshop zu schicken, in dem sie zu einem High-Performance-Team ‚gedrillt‘ werden, um danach wie ein eingespieltes OP-Team oder eine Spezialeinheit des Militärs zu funktionieren, ist vermutlich vergebene Liebesmühe. Die Zeit, das Geld und die Anstrengungen der Beteiligten hätten vermutlich eher in ein lockeres, aber organisiertes Beisammensein zum ’socializing‘ und gezielte Teambuilding-Maßnahmen gesteckt werden können. Und zwar für Teams, die die oben genannten Kriterien erfüllen oder für die erfolgreiche Bewältigung ihrer Aufgaben erfüllen sollten.

Doch leider stelle ich immer wieder fest, dass all dies oft nicht beachtet wird und so genannte Teambuilding-Events – ich übertreibe mal etwas – für alles und jeden als Allheilmittel genutzt werden. Und das wenig überraschend mit geringem Erfolg.

Mitarbeiterentwicklung und Teambuilding verfolgen immer Lern- und Entwicklungsziele. Sie sollten nie dem Selbstzweck im Sinne eines bloßen „Outdoor-Events sind doch schön“ dienen. Teambuilding-Maßnahmen können unglaublich viele Formen und Farben annehmen, je nachdem, was der Grund für das Teambuilding ist.

Bevor irgendwelche Maßnahmen gebucht werden, gibt es also noch etwas zu tun. Aufgabe der Vorgesetzten, Abteilungsleiter und Teamleader ist es einerseits zu sondieren, wo ein wirkliches Team besteht (und, wie es um dieses bestellt ist) und wo nicht. Andererseits müssen diese auch sorgfältig klären, wo Teamarbeit sinnvoll und zielführend ist und wo nicht.

Insbesondere umfassende Entwicklungs- und Veränderungsbestrebungen sowie umfangreiche und komplexe Aufgaben oder Kundenanfragen können häufig am besten in gut funktionierenden Teams bewältigt werden. Routineaufgaben im Tagesgeschäft, grundlegende Arbeitssequenzen, für die keine große Kooperation und Absprache notwendig ist und Ähnliches mehr, erfordern in der Regel keine ‚echte‘ Teamarbeit. Dementsprechend sollten auch Personal-, Mitarbeiter- oder Teamentwicklungsmaßnahmen gewählt und gestaltet werden. Denn so weit besteht Konsens, dass Teamentwicklung ein wirksames Mittel zur Umsetzung von Veränderungen, Verbesserung der Leistungsfähigkeit innerhalb eines Teams oder auch zur Optimierung von Arbeitsprozessen, Kommunikation, Zielfindung, Rollenklärung und Ähnlichem mehr ist4; sofern sie zu den Umständen passend eingesetzt werden.

Verfallen Sie also nicht der Versuchung – möglicherweise ‚nur‘, weil es derzeit jeder so zu machen scheint – aus allem ein superagiles High-Performance-Team machen zu wollen. Überlegen Sie zunächst, wo Sie und Ihre Leute stehen, was Sie wollen, wohin die Reise gehen soll. Welche Fertigkeiten benötigen Ihre Organisation und die Leute dafür? Wen haben Sie überhaupt mit an Bord, wo sind die Stärken und Schwächen Ihrer Organisation und auch Ihrer Mitarbeiter:innen? Machen Sie sich erst dann, wenn Sie diese und andere relevante Fragen beantwortet haben, Gedanken, wen sie für ein ‚wahres‘ Team benötigen und wie sie es zusammenstellen, aufbauen und entwickeln. Suchen Sie ggf. externen Rat.

Für schon bestehende Teams ist es ebenso wenig ratsam, schnell auf ‚Katalogmaßnahmen‘ zurückzugreifen. Schauen Sie auch hier zunächst genau, wo die wirklichen Ansatzpunkte sind. Ein Team, das schon gute Arbeitsprozesse hat, braucht keinen halben Tag in einem Workshop damit zu verschwenden, sich über Arbeitsprozesse den Kopf zu zerbrechen. Sind es doch die Probleme mit der internen Kommunikation und informelle Machtkämpfe, die ihnen zu schaffen machen. Das kostet Zeit, frustriert die Beteiligten und bringt auch keine Lösungen. Im Gegensatz dazu bringt dann eine Maßnahme, in der die Dinge wertschätzend und akzeptierend auf den Tisch kommen und die Probleme identifiziert und bei der Wurzel gepackt werden können – so fordernd derartige Workshops auch sein mögen – das Team und damit auch die Organisation einen großen Schritt nach vorne.

Literatur

  1. Ellebracht, H., Lenz, G., Geiseler, L. & Osterhold, G. Systemische Organisations- und Unternehmensberatung. Praxishandbuch für Berater und Führungskräfte. (Springer Gabler, 2018, S. 200).
  2. Lantz, A., Ulber, D. & Friedrich, P. Effektive Teamarbeit. (Kohlhammer, 2021, S. 16).
  3. Marlow, S. L., Lacerenza, C. N., Paoletti, J., Burke, C. S. & Salas, E. Does team communication represent a one-size-fits-all approach?: A meta-analysis of team communication and performance. Organizational Behavior and Human Decision Processes 144, 145–170 (2018).
  4. Elbe, M. & Erhardt, U. Konstruktive Organisationsentwicklung. Mitarbeiter einbinden. Organisationen verstehen. Lernkulturen gestalten. (Schneider Verlag Hohengehren, 2020, Kap. 5.3).

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