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Kommunikation - Ein Drama in mehreren Akten

Werte Leserinnen und Leser,

dies ist der Auftakt einer kleinen Reihe zu meiner Sicht- und Herangehensweise an das Thema Kommunikation. Sei es nun Organisationsentwicklung im Allgemeinen oder spezielle Aspekte wie Führung, Teambuilding, Motivation oder Diversität, ohne gute – oder sagen wir effektive – Kommunikation geht sehr wenig. Ohne weitere Worte zu verlieren, wünsche ich viel Spaß beim Lesen!

Teil I: Kommunikation - eine Annäherung

„Mein Kollege kommuniziert nicht mit mir!“ – eine Aussage, die mir zumindest in ähnlicher Form im beruflichen Alltag regelmäßig über den Weg läuft. Paul Watzlawick (1927-2007) hat es in seinem ersten Axiom der Kommunikation bereits auf den Punkt gebracht: „Man kann nicht nicht-kommunizieren“. Kommunikation ist allgegenwärtig. Ebenso kommunizieren also Kollegen und Kolleginnen, die nicht auf eine Anfrage reagieren, oder diejenigen, die in einem Meeting nichts sagen. Neulich sagte mir ein Freund noch, er könne aus ‚Nicht-Antworten‘ oft mehr über die wirkliche Haltung erfahren, als aus manch einer ausgesprochenen ‚Floskel‘.

Im Alltag und auch im beruflichen Umfeld wird der Begriff Kommunikation sehr unterschiedlich genutzt. Das oft mit einem starken Fokus auf die Sprache (ob nun das gesprochene Wort oder in Form von E-Mail oder Textnachrichten etc.) und die individuellen Aspekte, wie die Fähigkeit oder den Willen einer Person ‚richtig‘ zu kommunizieren.

Um die vage und oft etwas einseitige Perspektive etwas aufzuklären: Was ist eigentlich Kommunikation? Sky Marsen1 führt gleich fünf Definitionen von Kommunikation auf, die zeigen, wie vielseitig das Thema betrachtet werden kann:

    1. Soziale Interaktion durch Nachrichten.
    2. Ein Prozess in dem die Teilnehmer:innen Informationen miteinander erschaffen und teilen, um zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen.
    3. Eine Aktivität, bei der der symbolische Inhalt nicht nur von einer Quelle zur anderen übertragen wird, sondern zum Austausch zwischen Menschen dient, die in einer geteilten Situation oder Kontext interagieren.
    4. Ein Prozess, bei dem Menschen in Gruppen durch Nutzung der Werkzeuge, die ihnen durch ihre Kultur bereitgestellt werden, gemeinsame Repräsentationen der Wirklichkeit schaffen.
    5. Ein Prozess bei dem es einen vorhersehbaren Zusammenhang zwischen gesendeter und empfangener Nachricht gibt.
 

Zusammengefasst können wir Kommunikation als einen sozialen Prozess begreifen, in dem wir in Beziehung zueinander treten und eine Verbindung zueinander aufbauen. In dem wir miteinander umgehen, uns verständigen, denken und mitdenken, Bedeutung und Sinnzusammenhänge schaffen. Es ist ein Prozess sozialen Handelns in dem wir Kultur leben, Kultur schaffen und die (gemeinsame) soziale Wirklichkeit konstruieren. Es werden aber auch beispielsweise (informelle) Machtverhältnisse ‚ausgehandelt‘ und genutzt. Kommunikation hat damit eine soziale Funktion2.

Es passiert deutlich mehr als lediglich Information von einem aktiven Sender zu einem passiven Empfänger zu vermitteln. Sowohl Sender als auch Empfänger sind aktive Teilnehmer am Prozess. Kommunikation ist stets interaktiv und zirkulär. Sender wirkt auf Empfänger, dieser interpretiert und wird durch die Reaktion selbst zum Sender.

Charles H. Cooley3 bezeichnete Kommunikation bereits 1909 als Weltgestaltungswerkzeug. „Durch Kommunikation erfährt der Einzelne, was existiert, wie es benannt und wozu es gebraucht wird. Kaffeetassen, Fahrräder und Schulen werden durch Kommunikation zu Objekten einer gemeinsamen Wirklichkeitsordnung, der Alltagswelt“2.

Dieser soziale Prozess ist jedoch nicht auf die Sprache und die verbalen Aspekte beschränkt. Non-verbale (z.B. Augenkontakt, Körpersprache, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und Ausrichtung, grobe und feine Gesten, Kleidung und Gegenstände) und paraverbale Aspekte (z.B. Lautstärke, Klangfarbe, Sprachmelodie, Schreibstil) spielen meistens die noch größere Rolle für das, was beim Empfänger ankommt. Darum sind Emojis bei Textnachrichten so wichtig. Aus all diesen Elementen ergeben sich die vier Bedeutungsseiten einer Nachricht4: Die Sachebene (Informationen vermitteln), Beziehungsebene (wie stehen Sender und Empfänger zueinander), Appellebene (was möchte Sender von Empfänger) und die Ebene der Selbstoffenbarung (was sagt der Sender über sich selber aus). Doch die Bedeutung einer Nachricht für Sender und Empfänger sowie die Reaktion darauf entsteht nicht nur aus den verbalen, nonverbalen und paraverbalen Aspekten. Kommunikation findet stets im sozialen Kontext statt. Dieser beeinflusst das Geschehen grundlegend. Die gleichen Aussagen können in unterschiedlichen Kontexten oder Situationen sehr unterschiedlich aufgefasst werden.

Kommunikation ‚passiert‘ demnach auf mehreren Ebenen. Drei zentrale Ebenen sind5: Die persönliche (Persönlichkeit, Identität und Emotionen), die kulturelle (Normen, Werte, Gepflogenheiten, Praktiken etc.) und die strukturelle Ebene (Macht, Hierarchie, (Un-)Gleichheit, Gruppenzugehörigkeit, Ressourcenverteilung etc.). Im Beruf sprechen wir anders miteinander, als in der Familie oder im Freundeskreis.  Mit unseren ‚gleichrangigen‘ Kollegen und Kolleginnen auf der Arbeit kommunizieren wir anders als mit unseren Vorgesetzten. In der Mittagspause ändert sich unsere Kommunikation mit den gleichen Leuten im Vergleich zum Planungsmeeting. Aufgrund unterschiedlicher Regeln, Normen, Werten und Praktiken, also der Unternehmens-, Organisations- oder Abteilungskultur, in verschiedenen Organisationen oder auch unterschiedlichen Abteilungen, gestaltet sich die Kommunikation zu ähnlichen Anlässen (z.B. ein Meeting) von Organisation zu Organisation sehr unterschiedlich. Gleichzeitig bringt auch jede:r Mitarbeiter:in die persönlichen, individuellen ‚Kommunikationseigenheiten‘ mit.

Die persönliche, die kulturelle und die strukturelle Ebene hängen also in einem wechselseitigen Zusammenhang, wobei die kulturelle Ebene oft als ein Vermittler zwischen den anderen beiden Ebenen steht. Sie ergeben den Kontext der Kommunikation. Innerhalb dieses Kontexts formen sich Sinn und Bedeutung der Kommunikationsinhalte auf der Sach-, Beziehungs-, Appell- und Selbstoffenbarungsseite. Das, was der Sender vermitteln möchte und das, was beim Empfänger ankommt, stimmt im besten Fall weitestgehend überein. Oft besteht da aber eine mehr oder weniger großer Unterschied, der zu Kommunikationsstörungen und dementsprechend zu nicht effektiver Kommunikation führen kann. Kommunikation ist dann weder beziehungswahrend noch lösungs- und ergebnisorientiert ist. Doch dazu mehr in den nächsten Teilen.

Literatur

  1. Marsen, S. Communication studies. (Palgrave Macmillan, 2006, S. 6).
  2. Rommerskirchen, J. Soziologie & Kommunikation: Theorien und Paradigmen von der Antike bis zur Gegenwart. (Springer, 2017, S. 221).
  3. Cooley, C. H. Social Organization. A study of a larger mind. (C. Scribner’s, 1909)
  4. Schulz von Thun, F. Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen: Allgemeine Psychologie der Kommunikation. (Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, 2019, S. 27ff.).
  5. Thompson, N. Effective Communication: A Guide for the People Professions. (Macmillan International higher education, 2018, S. 116).

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